Die Tafeln sehen sich stets schwankenden Mengen der Lebensmittelspenden gegenüber. Schön, dass sich daher zusätzlich zu den vor Ort gesammelten Waren immer wieder Großspenden direkt von den  Erzeugern ergeben. Auch steigt das Zusammengehörigkeitsgefühl der Tafeln untereinander dadurch über den nachbarschaftlichen Bereich hinaus: Tafeln, die das Glück haben, in unmittelbarer Nähe zu einem Hersteller zu liegen, geben gerne Waren an Tafeln in entfernteren Gegenden ab. Klar, dass man dann, soweit vorhanden, aus den eigenen Beständen etwas zurückgibt.

So trifft es sich gut, dass jetzt über die Tafel in Ahrensbök eine weitere Möglichkeit für die kostenfreie Lagerung von nicht kühlpflichtigen Lebensmitteln gefunden werden konnte. Auch von diesem Lager aus können Großspenden auf alle Tafeln verteilt werden. Eine weitere Großspende kann z. Zt. noch direkt beim Erzeuger abgeholt werden: Bedingt durch die Ukrainekrise und den darauf folgenden Einfuhrstopp Russlands hatten die Dithmarscher Kohlbauern ein großes Absatzgebiet verloren; das jetzt herangereifte Gemüse wurde den Tafeln angeboten und kann direkt vom Hof bei Heide abgeholt werden – eine Spezialität, besonders für unsere russischstämmigen Tafelkunden!

Eine Spezialisierung des Warenangebots der Tafeln wird auch von einem weiteren Kundenkreis ersehnt – als Folge der schrecklichen Krisen auf der Welt in Syrien/Irak, in Afghanistan, Eritrea, aber auch immer noch auf dem Balkan. Es kommen Menschen zu uns nach Norddeutschland und auch zu den Tafeln, die manchmal nicht mehr als das nackte Leben retten konnten. Diese Menschen sind schwer traumatisiert und besonders auf die Hilfe aller angewiesen. Da sie aus einem völlig anderen Kulturkreis kommen, haben sie es nicht leicht, sich hier einzuleben. Da ist es beruhigend, zu sehen, wie ihnen auf vielfältige Weise ehrenamtlich geholfen wird, denn die Kommunen sind meist mit diesem Problem schlicht überfordert und die Kapazitäten reichen gerade einmal, um für eine Unterkunft zu sorgen.

Für die Tafeln heißt das, dass wir uns nicht nur einer gestiegenen (Neu-)Kundenzahl gegenüber sehen, sondern auch, dass die vom Handel zur Verfügung gestellten Lebensmittel für die gewohnte Versorgung nicht mehr ausreichen. Manche Tafeln haben sogar einen Aufnahmestopp für Neukunden – natürlich nicht nur für Flüchtlinge oder Asylbewerber – ausgesprochen, um die Versorgung der bisherigen Kunden nicht zu gefährden. Problematisch, wenn man bedenkt, dass die Tafeln nach den Tafelgrundsätzen „…einwandfreie Nahrungsmittel, die im Wirtschaftsprozess nicht mehr verwendet werden können, an Menschen in Not …verteilen“ – nicht mehr und nicht weniger. Von einer Vollverpflegung ist nicht die Rede! Gerade die gerechte „Verteilung“ bereitet zusätzliche Probleme: Nicht jeder Kunde darf z. B. aus religiösen Gründen jedes angebotene Lebensmittel verzehren, denken wir nur an Schweinefleisch, das z. B. Mohammedaner gar nicht essen dürfen. Ähnlich verhält es sich mit Rindfleisch bei Hindus – und wie halten wir sie auseinander, wenn wir die Personen noch nicht kennen und eine verbale Verständigung zunächst einmal ausgeschlossen ist… Hier ist es manchmal schwierig, aus den vorhandenen Lebensmitteln ein qualitativ und quantitativ „gerechtes“ Angebot zusammen zu stellen.

Bei anderen Tafeln reichen zwar die zur Verfügung gestellten Lebensmittel noch aus – aber die Helfer sind mit dem Ansturm überfordert, und zusätzliche Kräfte sind nicht in Sicht; auch das kann zu einem Aufnahmestopp führen.

Grundsätzlich fordern die Tafeln eine hinreichende Versorgung und Betreuung der Menschen aus den Krisengebieten durch die Gemeinden – aber wir sehen auch, dass denen das nicht möglich ist.

Und so bedeutet der Besuch einer Tafel für diese Menschen ein Schritt in das normale Leben in Deutschland.

Hier sind sie nicht isoliert, getrennt von uns „Einheimischen“ – sie befinden sich hier unter Menschen mit einer vergleichbaren finanziellen Situation und erfahren sowohl von den Helfern als auch von den (Mit-)Kunden viel Verständnis und Freundlichkeit; sie können wieder Vertrauen in die Menschen aufbauen und Abstand von der schrecklichen Situation zu Hause gewinnen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Tafelkunden nicht freiwillig bei uns sind, sondern weil sie es bei sich zu Hause nicht mehr aushalten konnten, weil ihr Leben dort bedroht war. Und wir Tafelmenschen helfen gerne, das Leben für sie wieder erträglicher zu gestalten.

Frank Hildebrandt

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